...Stück: Landschaftstheater – Realität und Konstruktion
Lenzburg, Sigigen, Stans, Lenzburg
Projektbeschreibung
Diese Art von Theaterarbeit fordert auf verschiedenen Ebenen andere Denk- und Arbeitsweisen. Schon während meiner Studienzeit begab ich mich auf die Entdeckung der Freilichttheater. Raus aus der Black Box, rein in das Spiel mit original Architektur, Zeitdokumenten, spezielle Orte und den Elementen Duft, Tageslicht, Dunkelheit, Wind und Regen. Erst mit der Dunkelheit wird die visuelle Weite eingegrenzt, der Klangraum erweitert.
Über den Zeitraum von acht Jahren entwickelte ich in Zusammenarbeit mit Louis Naef (Regisseur) vier Landschaftsbühnen in der Schweiz.
All diese Projekte haben die "reale" Natur als Ausgangspunkt. Diese Vorgaben geben mir als Ausstatterin des szenischen Raumes neue Möglichkeiten und Aufgaben. In einem ersten Schritt muss die Spielstätte nach Originalspielplatz im Bezug auf Geschichte, Akustik, Lärmimmissionen, Bildhaftigkeit ausgewählt werden. Dieser Suchprozess findet ein Jahr vor der Premiere statt, damit die Landschaft in ihrer Art (Jahreszeit) so gut wie möglich mit einbezogen werden kann.
Landschaftstheater in Sigigen 1996: Der Wald
Der Gesichtsverlust der Hausherrin
Die Geschichte entblättert sich durch den physischen Zerfall der Hausfront. Die Bühne gibt Einblick hinter die Kulissen.
In diesem Stück verliert die Hausherrin allmählich ihr Ansehen. Das Gutshaus als Spiegel ihres Zerfalles. Die Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen Einblick in die Hausstruktur, die Küche und die Ganggespräche.
Das Stück wurde vom Abendlicht bis in die Dunkelheit auf der Sigiger Allmend gespielt, wo es weder Autolichter noch andere Fremdlichter gab.
Wo: Sigigen Landschaft bei Ruswil
Wann: 1996
Wer: Landschaftstheater Ruswil
Übersetzung: Sam Jaun
Regie: Louis Naef
Musik: Peter Schärli
Bühne: Claudia Tolusso
Fotos: Claudia Tolusso
PRESSE
«Das Haus – eine raffinierte Spielkiste – dahinter der Alpenfirn nicht weit.»
Die Weltwoche
«In Louis Naef’s Landschaftstheater ist Claudia Tolusso's szenischer Raum ein grosses Glück. Sie setzt ihm eine Szene in die Abendlandschaft, als sei die Welt aus den Fugen.»
Tages-Anzeiger
Freilichttheater Stans 1998: Tag des Jammers
Hier wird ein Stück Schweizer Geschichte aufgearbeitet, welche von der Zeit Napoleons und dem Franzoseneinfall in Stans erzählt.
Wie vermittle ich die Grausamkeit einer Geschichte?
Das erste Bild spielt auf dem Dorfplatz in Stans. Erhöht, auf einem weissen Würfel, liest Madame Helvetic die Bestimmung der helvetischen Proklamation dem Volk (Publikum) vor.
Im zweiten Teil sind wir im Innenhof des Klosters, wo wir über die Erzählform (der Mauerschau) dem grausamen Einfall der Franzosen zusehen. Zuschauer und Erzählebene verschmelzen ineinander. Der Schauspieler (Mike Müller) in der Figur von Hesse, erzählt die Geschichte 150 Jahre später, wie sie vom Schriftsteller niedergeschrieben worden ist. Er sitzt auf einem angeschnittenen weissen Würfelpodest.
Im dritten Teil verlagern sich die fünfhundert Zuschauer in ein für sie gebautes Theaterhaus, bei welchem die hintere Aussenwand fehlt. Hier wird der weisse Würfel als Rahmen verwendet, welchem der Boden fehlt. Durch diese Umrahmung sehen wir in die Landschaft der vergangenen Schlacht von Bild 2. Raumdramaturgisch sind hier also die Bilder in einer landschaftlichen Abfolge gesetzt, welche im Vorfeld genaustens aufeinander abgestimmt wurden.
Für dieses Stück haben wir uns bewusst an den Originalschauplatz der grausamen Geschichte begeben. So wird beispielsweise unterwegs von den Zuschauern auch das Beinhaus auf dem Friedhof in Stans besucht, welches als Zeitzeuge erfahrbar wird.
Für diese aufgeladene Geschichte am Originalschauplatz wählte ich als Bühnenbildnerin gezielt einen körperlichen, neutralen Kontrast. Der weisse Würfel als inhaltliche und visuelle Verknüpfung, als durchgehendes Erzählmodul und Metapher von Zeitlosigkeit.
Wo: Landschaftstheater Stans
Wann: 1998
Wer: Landschaftstheater Stans
Autor: Hans Jörg Schneider
Regie: Louis Naef
Musik: Peter Schärli
Bühne: Claudia Tolusso
Kostüme: Bernadette Meier
Fotos: Claudia Tolusso
PRESSE
«Die szenische Gestaltung, die sich klug und stilsicher fast ganz darauf beschränkt, die Naturkulisse wirkungsvoll zu umrahmen.»
Basler Zeitung
Freilichttheater Lenzburg 2000: Frühlingserwachen
„Frühlingserwachen ist in seinem Hintergrund nach ein Schweizer Kleinstadtstück, eine Art Lokalstück. Wir werden uns alle sehr anstrengen müssen, um uns nicht darin zu erkennen - aber solche Anstrengungen sind wir ja gewohnt.“ Peter von Matt
„Die Bedeutung von Schloss Lenzburg für Frank Wedekinds Dichtung geht weit über die einer romatisch- eindrucksvollen Staffage hinaus. Hier im väterlichen Monument der Rechtschaffenheit, im Muff der Ritterburg, unter den Spinnweben des Mittelalters und im Dunstkreis einer Schweizer Kleinstadt, schafft er ein rebellisches Gegenmodell. Das von der Befreiung des Menschen aus der Befangenheit in seinem musealen Bewusstsein handelt.“ Rolf Kieser
Die Stadt Lenzburg und seine Umgebung berühren den Betrachter in inneren und äusseren Erinnerungsräumen. Als Landschafts-Bühnenbildnerin gehe ich auf die Räume vor Ort ein.
Ich unterstreiche bestehende Teile bewusst, schaffe Akzente, rahme ein und setzte Kontrastpunkte.
Wo: Schloss Lenzburg
Wann: 2000
Wer: Landschaftstheater Lenzburg
Regie: Louis Naef
Regiemitarbeit: Adrian Meyer, Felicia Pantò, Mark Wetter
Choreografie: Salome Schneebeli
Musik: Peter Schärli
Szenischer Raum: Claudia Tolusso
Kostüme, Masken: Bernadette Meier
Maske: Roger R. Niederberger
Licht: Martin Brun
Technische Leitung: Ruedi Baumann
Stimmbildung: Maria Glarner
Plakat, Grafik: Anita Mendler
Fotografie: Georg Anderhub
Produktionsleitung: Hans Ulrich Glarner, Angela Herrigel, Felicia Pantò, Stapferhaus Lenzburg, Sabina Binggeli und Verein Landschaftstheater
Orchester: Franziska Baumann, Christoph Gantert, Ben Jeger, JeanJacques Pedretti, Peter Schärli und Benoit Viredoz
PRESSE
Der Lenzburger Theaterfrühling im regennassen Sommer erinnerte daran, dass nicht jedes Drama ein Stück Landschaftstheater ist. Die von Louis Naef mit sicherer Hand geführten Schauspiel-Laien bewiesen aber, dass das Volkstheater mehr kann, als das Fernsehen an Samstagen versucht vorzugaukeln. Und das wissen auch Regisseure wie Christoph Marthaler und Ruedi Häusermann. (Theater der Zeit)